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MitteilungVeröffentlicht am 27. August 2024

Schatzkiste Spezialsammlungen - ein Statussymbol des 17. Jahrhunderts: de Wits Weltkarte im Grossformat

Schnelle Autos, grosse Häuser oder teure Kunstwerke – das sind Prestigeobjekte wohlhabender Leute. Im 17. Jahrhundert zählten grossformatige Wandkarten zu den Luxusgütern und Statussymbolen von Adligen und reichen Handelsleuten. Die Bibliothek am Guisanplatz besitzt eine solche Weltkarte und macht sie digital zugänglich. Schauen Sie sich Nova Totius Terrarum Orbis Tabula von Frederick de Wit (gedruckt um 1660) genauer an und entdecken Sie faszinierende Details!

Die Wandkarte Nova Totius Terrarum Orbis Tabula wurde zwischen 1660 und 1663 vom Kartografen und Kupferstecher Frederick de Wit (ca. 1629 – 1706) in Amsterdam hergestellt. Wie damals üblich, verwendete de Wit bekannte Karten als Vorlage, in diesem Falle die Weltkarten von Willem und Joan Blaeu, und verbesserte sie mit neuen Erkenntnissen der Entdecker und Reisenden, unter anderem in der Darstellung Chinas und des gesamten Ostens.

Die Erde wird auf de Wits Weltkarte in einer östlichen und einer westlichen Hemisphäre dargestellt. Gut erkennbar ist, welche Gegenden die europäischen Seefahrer erkundet hatten. So stimmt der Verlauf der Magellanstrasse recht gut mit den heutigen Darstellungen überein. Der Seeweg nach Indien war erkundet, die Konturen von Afrika und Südamerika waren bekannt. Jedoch wird das Innere dieser Kontinente fantasievoll mit Gebirgen, Gewässern und Tieren ausgeschmückt. Der grosse Fluss, welcher gemäss damaligen Karten aus Zentralafrika gegen Westen in den Atlantischen Ozean fliessen sollte, wurde bis heute nicht entdeckt.

Die Wandkarte besteht neben den zwei Hemisphären aus einer bunten Dekoration. In den vier Ecken repräsentieren Menschen, Tiere und Pflanzen die Kontinente, so wie sie von den Reisenden beschrieben worden waren. Nebenkarten zeigen die Tierkreiszeichen des nördlichen und des südlichen Sternenhimmels. Der Text am unteren Kartenrand beschreibt in lateinischer, niederländischer und französischer Sprache Kontinente und einzelne Länder mit ihren Gütern wie Edelmetalle und Getreide, aber auch mit besonderen Merkmalen wie Bier für England und Elefantenzähne für Afrika.

Wandkarten als Statussymbol

Die im unteren Bereich dargestellte Büste von Johann Moritz von Nassau-Siegen (1604–1679) hilft uns heute, die undatierte Karte zeitlich einzuordnen. Ein anderes Exemplar von de Wits Weltkarte ist nämlich enthalten im Atlas des Grossen Kurfürsten, auch Mauritsatlas genannt. Prinz Johann Moritz von Nassau-Siegen schenkte diesen grossen Prunkatlas mit den Massen 2,20 x 1,70m im Jahr 1663 dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1660–1688). Die Weltkarte muss also spätestens 1663 fertiggestellt worden sein. Auch in anderen Fällen wurden Karten und Atlanten bei wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen als Geschenk übergeben.

Adlige, wohlhabende Geschäftsleute und politisch Einflussreiche kauften ebenfalls gerne Wandkarten. Der Besitz einer Wandkarte bewies Interesse am aktuellen geografischen Wissen, was ein Gemälde nicht vermochte. Die Verlagshäuser achteten daher sehr darauf, ihre Karten auf dem neuesten Wissenstand zu halten.

Die prachtvolle Umrahmung und dekorative Elemente wie zum Beispiel die Darstellung von Tieren und Schiffen in de Wits Wandkarte weisen ebenfalls auf deren Repräsentationszweck hin.

Verlagshaus de Wit

Amsterdam war damals das Zentrum der europäischen Kartenherstellung. Die Stadt stieg im 17. Jahrhundert zu einem der weltweit wichtigsten Handelszentren auf. Die Republik der Vereinigten Niederlande erlebte im sogenannten «Goldenen Zeitalter» eine wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit. Das Verlagshaus von Frederick de Wit gehörte zu den führenden Kartenherstellern der Zeit, in welchem Zeichner, Kupferstecher, Drucker, Koloristen und Koloristinnen Karten in einem mehrmonatigen Prozess produzierten.

Die Herstellung einer Wandkarte war besonders aufwändig. Die Weltkarte Nova Totius Terrarum Orbis Tabula besteht aus zwölf Blättern, welche einzeln gestochen und gedruckt und danach auf Leinwand geklebt und zusammengesetzt wurden. Die Technik des Kupferstichs erlaubt nur einen Druck in Schwarz-Weiss, weshalb Karten abschliessend von Hand koloriert wurden. Die Auflage der Wandkarte ist nicht bekannt.

Wandkarten als Rarität

Im Verlagshaus von Frederick de Wit wurden viele Karten zur Welt und einzelnen Gebieten in verschiedenen Formaten hergestellt. Kupferstich-Platten ermöglichten den Druck von etwa dreitausend Blättern, weshalb man annimmt, dass Karten in grösserer Stückzahl produziert wurden. Bis heute sind zahlreiche davon erhalten, vor allem solche, welche integriert in Atlanten verkauft worden waren.

Hingegen gibt es heute von Frederick de Wits Wandkarte Nova Totius Terrarum Orbis Tabula nur noch etwa ein halbes Dutzend Exemplare. Denn Wandkarten wurden zum Betrachten aufgehängt – gerne über dem Cheminée! Sie waren dadurch Feuchtigkeitsschwankungen, Licht und Rauch ausgesetzt. Transport, Lagerung und Handhabung der grossen Karten waren auch im gerollten Zustand schwierig und führten oft zu Schäden.

Die Bibliothek am Guisanplatz besitzt mit ihrem farbstarken Exemplar eine wertvolle Rarität, welche Ihnen in digitalisierter Form zur Verfügung steht!

Kartenausschnitte

Literatur und Links

Die Karte

  • Physisch – die Originalkarten wird nur zu seltenen Gelegenheiten entrollt. Den Faksimile-Druck hingegen können Sie im gleichen Format auf Voranmeldung in der BiG besichtigen.
  • Online verfügbar – schauen Sie sich die Karten auf Ihrem Bildschirm an! Sollte die Dateigrösse für Ihre Verwendung zu klein sein, kontaktieren Sie uns bitte.

Biografisches

  • In der Forschung herrschte einige Zeit die Meinung vor, dass im Verlagshaus de Wit mehrere Generationen mit dem Namen Frederick de Wit tätig gewesen seien. Der deutschsprachige Wikipedia-Artikel zu Frederick de Wit ist auf dem neusten Stand.

Literatur

  • Carhart. George. Frederick de Wit and the first concise reference atlas. Leiden: Brill/Hes & De Graaf, 2016. (in anderen Bibliotheken verfügbar)
  • Shirley, Rodney W. The Mapping of the World : Early Printed World Maps 1472-1700. London: The Holland Press, 1983. (Präsenzbibliothek BiG, Signatur NPB 850 4)
  • Koeman, Cornelis / Schilder, Günter / van Egmond, Marco / Van der Krogt, Peter. Commercial cartography and map production in the Low Countries 1500-ca. 1672. In History of Cartography, Volume 3, Part 2. (Link)
  • Atlas des Großen Kurfürsten – Wikipedia, Eine Faksimile-Ausgabe (in kleinerem Format als das Original) kann in UB Bern vor Ort besichtigt werden (Verkleinerte Faksimile-Ausgabe 1971)
  • A. Taatgen. The universe of Amsterdam: treasures from the golden age of cartography. Amsterdam: Waanders Uitgevers, Zwolle, 2019. (BiG, Signatur NOG 234646)
  • Goldenes Zeitalter (Niederlande) – Wikipedia