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MitteilungVeröffentlicht am 10. Mai 2023

Geflügelte Boten: Brieftauben im Dienst der Schweizer Armee

Rund achtzig Jahre lang dienten Brieftauben der Schweizer Armee als Übermittlungsboten. Die Bibliothek am Guisanplatz BiG beleuchtet das aussergewöhnliche Heimfindevermögen der Tiere und wirft einen Blick auf die Geschichte des Schweizer Brieftaubendiensts.

Die Geschichte der Brieftaube ist beinahe so alt wie die Menschheit selbst. Bereits in der Antike machten sich die Menschen das Heimfindevermögen – die angeborene Fähigkeit von einem unbekannten Ausgangspunkt in das eigene Revier zurückzukehren – der Brieftauben zu Nutze: Die alten Ägypter verwendeten Tauben, um die Rückkehr ihrer Schiffe im Heimathafen anzumelden, in Persien war Brieftaubenfliegen um 1500 v. Chr. ein beliebter Volkssport und im antiken Griechenland überbrachten Brieftauben die Resultate der Olympischen Spiele.

Als Boten wurden Tauben auch für militärische Belange eingesetzt. Im deutsch-französischen Krieg (1870-71), während der Belagerung von Paris, wurden sie mit Hilfe von 60 Luftballons befördert, um Nachrichten aus den Provinzen zu erhalten.

Im Ersten Weltkrieg waren bereits mehrere beteiligte Länder im Besitz von Brieftauben. Das Deutsche Heer verfügte über eine halbe Million Vögel in nahezu allen Kombattantenstaaten. Auch die britische und französische Armee setzten auf die Fähigkeiten dieser Tiere und besassen mobile Brieftauben-Stationen.

Heimkehrmotivation und Orientierungssinn

Der Einsatz von Brieftauben als Nachrichtenübermittler beruht auf ihrer natürlichen Fähigkeit, von einem gänzlich unbekannten Ort und über grosse Distanzen hinweg zielsicher in ihren Heimatschlag zurückzufinden.

Das erstaunliche Heimfindervermögen der Brieftauben gibt der Wissenschaft bis heute Rätsel auf. Forschende vermuten, dass diese Vögel eine Reihe unterschiedlicher Hilfsmittel für die Navigation verwenden. Eine verbreitete Annahme ist, dass sie sich wie andere Vogelarten am Magnetfeld der Erde orientieren. Zudem können sich die Tiere nach dem Sonnenstand zur Ermittlung der Himmelsrichtung richten («Sonnenkompass»).

Ein weiterer Faktor für das Heimfindervermögen von Tauben ist ihr Geruchssinn. Verschiedene chemische Stoffe in der Luft verraten ihnen die Richtung der Heimat.

Die Geburtsstunde des Schweizer Brieftaubendiensts im Ersten Weltkrieg

Im Herbst 1917 entschloss sich das Eidgenössische Militärdepartement (EMD) für die Gründung eines provisorischen Korps für einen Brieftaubendienst. Die Grundlage bildete der Bundesratsbeschluss vom 27. August 1917, der den Dienst der Generalstabsleitung des Armeestabs unterstellte. Offiziere, Unteroffiziere, Soldaten aller Heeresklassen und Freiwillige mit zivilen Tauben-Fachkenntnissen wurden durch das EMD abkommandiert. Ihr Abzeichen war eine stehende, schwarze Taube auf dem linken Oberärmel der Uniform ihrer Waffengattung.

Ab 1920 wurde der Dienst professioneller. Die Kader und Mannschaften erhielten in Spezialkursen eine Ausbildung im Umgang mit Brieftauben. Vier Jahre später wurde der Brieftaubendienst ein Bestandteil bei allen grösseren Truppenübungen.

Die provisorische Anleitung der Generalstabsabteilung für den Einsatz von Brieftauben bei der Kavallerie regelte die Organisation, die Ausrüstung und die Behandlung von Brieftauben. Gemäss Anleitung wurde empfohlen, die Tiere nur tagsüber und bei guten Wetterbedingungen zum Meldeflug zu verwenden, weil eintretende Dunkelheit, Nebel und heftige Gewitter Rückflüge der Tauben unsicher machen.

1930 folgte eine weitere Anleitung für den Brieftaubendienst. Jede Division erhielt neu bei einer Mobilmachung feste und fahrende Brieftaubenstationen. Zu den Aufgaben des Diensts zählten die Organisation der Ersatzmannschaft und des Ausrüstungsmaterials wie Transportkörbe und Gerätschaften.

Der Brieftaubendienst im Zweiten Weltkrieg und bis in die Gegenwart

Während des Aktivdiensts wurde der Brieftaubendienst erstmals von Angehörigen des Frauenhilfsdiensts (FHD) unterstützt. Zu ihrer Ausbildung gehörten die Aufzucht, Pflege und das Training der Tiere.

Die Frauen und Männer des Brieftaubendiensts wurden nach Kriegsende in Ad Hoc-Detachemente eingeteilt.

1951 entstanden mit der neuen Truppenordnung 25 selbstständige Brieftauben-Einheiten. Die Abteilung für Übermittlungstruppen führte jährlich Einführungskurse für Wehrmänner im Brieftaubendienst durch. Für Angehörige des Frauenhilfsdiensts wurden besondere, 20-tägige Einführungskurse angeboten.

1983 gab es rund 1000 in Brieftaubenzüge eingeteilte Armeeangehörige. Als zentrale Zuchtstation und für Ausbildungszwecke diente die Militärbrieftaubenstation im Sand bei Schönbühl/Bern mit 26 festen Brieftaubenschlägen und neun mobilen Schlägen in Lastwagenanhängern.

Die technische Entwicklung der elektronischen Übermittlung sowie Sparmassnahmen im EMD führten 1994 im Zuge der Neuorganisation der Schweizer Armee (Armee 95) nach rund 80 Jahren zur Auflösung des Brieftaubendiensts.

 

 

 

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