Schatzkiste Spezialsammlungen: Der Bundesplatz
Buntes Markttreiben, lautes Rufen und Menschenmengen an Demonstrationen, fröhliche Kinder, welche durch die Wasserfontänen hüpfen – so kennen wir den Bundesplatz. War dies schon immer so? Nein.
12.10.2022 | Bibliothek am Guisanplatz, Christine Rohr

Im Fotoarchiv des Bundeshausfotografen Walter Rutishauser der Bibliothek am Guisanplatz finden wir Aufnahmen, welche den Bundesplatz voller parkierter Autos zeigen. Für uns heute ein befremdliches Bild! Der Bundesplatz, wie wir ihn heute kennen, wurde im Jahr 2004 eingeweiht. Eine Fläche von 3’600 Steinplatten aus Valser Gneis, von April bis Oktober befeuchtet durch ein Wasserspiel mit den Kantonen entsprechend 26 Wasserdüsen, liegt wie ein Teppich vor dem Bundeshaus. Ein eingelagertes Lichtband verbindet nachts visuell den Bärenplatz, den Bundesplatz und das Bundeshaus.
Bei den Bauarbeiten stiess man zum Teil bereits in 50cm Tiefe auf archäologische Funde, welche die vorgängige Bebauung des Platzes nachverfolgen lassen. Den Graben der mittelalterlichen Befestigungsanlage konnte man beim Bau des Wasserspiels 2004 nutzen, um dort unterirdisch den Technikraum einzurichten. Ansonsten stiess man überall auf historisch Interessantes und zu Schützendes.
So zum Beispiel auf das Judentor, das im Mittelalter Ankommende durch die Stadtmauer zur Judengasse - der heutigen Kochergasse - und zum jüdischen Friedhof führte. Der Friedhof lag im 13. Jahrhundert beim heutigen Parlamentsgebäude und Bundeshaus Ost. Spuren jüdischer Präsenz finden sich in Bern nur wenige. Ebenso spurlos verschwunden ist das später auf dem Judenfriedhof gegründete Frauenkloster St. Michael zur Insel, welches mit der Reformation 1528 aufgehoben und zeitweise als Spital genutzt worden war.
Ein Platz entsteht
Bern bestand im Mittelalter aus Strassenzügen, Plätze waren damals noch keine vorgesehen. Solche gewann man nur durch den Abriss bestehender Gebäude, so beim Münsterplatz, beim Rathausplatz und eben beim Bundesplatz. Der Bundesplatz als freie Fläche, welche vielseitig und von allen genutzt werden kann und die von stattlichen Gebäuden umringt ist, entstand erst in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts.
Das Bundeshaus auf der Südseite des Platzes wurde in Etappen erbaut: Das Bundeshaus West (erbaut in den Jahren 1852-1857) und das Bundeshaus Ost (erbaut 1884-1892) wurden 1894-1902 nach Plänen des Architekten Hans Wilhelm Auer zum heutigen Bundeshaus ergänzt. Der Bau dieses prächtigen Parlamentspalastes habe das Bedürfnis nach einer würdigen Platzanlage geschaffen, wie der Berner Denkmalpfleger Jean-Daniel Gross anmerkt. [Jean-Daniel Gross in: 100 Jahre Nationalbank-Gebäude in Bern]
Nach Abriss einiger Gebäude erstellten die Nationalbank (1907), die Spar- und Leihkasse (1913) und die Schweizerische Kreditanstalt (1919) monumentale repräsentative Bauten in unmittelbarer Nähe zum politischen Geschehen. Interessanterweise trägt das Nationalbank-Gebäude die Adresse Bundesplatz 1, das Bundeshaus die Hausnummer 3.
Der umringte, freie Platz vor dem Bundeshaus war nun also entstanden und wurde für den Wochenmarkt genutzt. Indes bemerkte Adolphe Tièche 1927: «Langweilig und kalt wie das Bundeshaus selber liegt der Bundesplatz vor unsern Augen.» Der Architekt wünschte sich eine künstlerische Gestaltung des Platzes durch einen hohen Springbrunnen oder gar ein Bassin, in welchem sich die Gebäude spiegeln könnten. [Ad. Tièche in: Schweizer Bauzeitung 89 (17), 1927] Es kam anders: Autos hielten Einzug und der Verkehr wurde zu einem prioritären Thema der Stadtplanung.
Die Parkplätze
Bereits 1930 wurde gefordert, dass man das offenbar damals bestehende Verbot des Parkierens auf dem Bundesplatz rückgängig machen solle [Forderung Fellenberg]. Dies erfolgte daraufhin und wie wir dem Bild von Walter Rutishauser entnehmen können, blieb der Parkplatz vor dem Bundeshaus mehr als ein halbes Jahrhundert, bis zur Umgestaltung 2003/04, bestehen.
Verkehrstechnisch gar noch einschneidenderes wurde in den 1960er Jahren geplant. Glücklicherweise lehnte die Berner Stadtbevölkerung im September 1970 eine Vorlage ab, welche eine vierspurige Strasse auf der Achse Bundesgasse – Kochergasse vorgesehen hatte.
Noch in den 1980er Jahren wurde die Idee eines verkehrsfreien Bundesplatzes verworfen, da man auf die Einnahmen der Parkplatzgebühren nicht verzichten wollte. Immer wieder wurden jedoch Rufe nach einer Umgestaltung des Bundesplatzes laut. Schlussendlich wurde 1991 ein Ideenwettbewerb lanciert.
Der «Platz als Platz»
Als Sieger ging das Projekt «Platz als Platz» von Stephan Mundwiler, Christian Stauffenegger und Ruedi Stutz hervor. Finanzknappheit, die offene Parkierungsfrage und ein neu eingebrachtes Gegenprojekt verzögerten jedoch die Umsetzung des Siegerprojekts. Erst im Jahr 2003 wurde vom Berner Stadtrat als Eigentümerin des Grundstücks der Kredit für die Neugestaltung des Bundesplatzes gesprochen.
Die 26 Wasserfontänen, welche das ursprüngliche Projekt ergänzten, erfreuen heute Bevölkerung und Reisende von Mitte April bis Mitte Oktober mit ihrem Wasserspiel. Durch die neu an Hausfassaden statt an freistehenden Masten angebrachte Beleuchtung sowie durch die Ausrichtung des Steinteppichs wird klar unterstrichen, welches Gebäude das wichtigste am Platz ist.
Ausgewählte Aufnahmen des Bundeshausfotografen Walter Rutishauser werden 2022/23 in der Ausstellung Walter Rutishauser: Fotograf. Streiflichter auf die Sammlung in der Bibliothek am Guisanplatz präsentiert.
Literaturempfehlung der BiG
Weiterführende Links
- Die Geschichte — Bundesplatz (bern.ch)
- Bundesplatz / die Mobiliar
- Furrer, B. (2004). Bern Bundesplatz : künstliches Licht als Gestaltungsmittel des historischen Stadtraumes. In: Werk, Bauen + Wohnen (Swiss ed.), 91(12), 24.
- Tièche, A. (1927). Bundesplatz und Bundeshaus in Bern. Schweizerische Bauzeitung, 89(17), 231f.
- Schweizerische Nationalbank (SNB) – 100 Jahre Nationalbank-Gebäude in Bern.
- Ernst, M. (2004). Das lange Warten auf die grosse Leere : an der Preview des Bundesplatzes in Bern. Hochparterre, 17(9), 56f.
- Bundesplatz im neuen Kleid - SWI swissinfo.ch
- Demonstration der Bauern: Marsch auf Bern 1954, Filmwochenschau
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