print preview

Zurück zur Übersicht Schatzkiste Spezialsammlungen


Schatzkiste Spezialsammlungen – Aspekte der Landesversorgung 1939-1945

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Versorgung des Landes mit Gütern immer schwieriger. Viele Importe fielen aus, zahlreiche Lebensmittel wurden knapp und teuer. Der Staat intervenierte zum Wohle der Bürger.

02.06.2020 | Bibliothek am Guisanplatz, Christine Rohr

Die Behörden hatten aus der schlechten Ernährungssituation im Ersten Weltkrieg gelernt. Gestützt auf das Sicherstellungsgesetz vom 1. April 1938 und den Vollmachtenbeschluss vom 30. August 1939 ergriff der Bundesrat zahlreiche Massnahmen, um die wirtschaftliche Landesversorgung zu gewährleisten.

Staatliche Preisüberwachung, zahlreiche Produktionsvorschriften, Rationierungen, die Anbauschlacht, Ausbau der Pflichtlager und der Aufbau einer Hochseeflotte gehörten zu den Mitteln der Kriegswirtschaft, welche durch eine Reihe neuer Ämter koordiniert wurden.

Rationierung

Das Kriegsernährungsamt (KEA) mit seinen elf Sektionen war für die Sicherstellung der Nahrungsmittelversorgung zuständig. Es organisierte ab Oktober/November 1939 die Rationierung von knappen Gütern. Der Verbrauch solcher Lebensmittel und Produkte wurde kontrolliert, gelenkt und eingeschränkt mit dem Ziel, die Verteilung der verfügbaren Waren möglichst gleichmässig und gerecht zu gestalten.

Auf den psychologischen Effekt solcher Massnahmen weist Ernst Feisst, Leiter des Kriegsernährungsamtes, in seinem Bericht 1950 hin: «Ein Wehrmann tritt mit wesentlich andern Gefühlen unter die Waffen, wenn er weiss, dass für die zu Hause Gebliebenen keine unmittelbaren Brot- und Nahrungssorgen bestehen.»

Preisanstiege sollten möglichst verhindert werden, damit soziale Spannungen nicht aufkeimten. Auch wollte man den Verbrauch von Gütern umlenken, von knappen auf reichlich verfügbare Produkte.

Umsetzung der Rationierung

Kartoffeln, Obst und Gemüse waren stets frei käuflich. Knappe Güter wie Reis, Zucker, Teigwaren, Fette, Öle und Mehl wurden per 1. November 1939, Benzin bereits seit September 1939 rationiert. Schrittweise folgten Eier, Fleisch, Brot und Milch, aber auch der Bezug von Seife, Schuhe, Textilien und weiteren Produkten wurden gesteuert.

Die rationierten Waren konnten nur durch Abgabe entsprechender Coupons gekauft werden. Der Händler seinerseits tauschte die Konsumentencoupons dann gegen Grossbezüger- oder Lieferantencoupons ein und konnte damit wiederum neue Güter kaufen.

Jede Person besass einen Bezugsausweis, mit welchem die monatlich zugeteilte Lebensmittelkarte abgeholt werden konnte. Je nach Alter, Körpergrösse, Gewicht und Arbeitstätigkeit enthielt diese Rationierungskarte unterschiedliche Coupons, basierend auf dem vom Kriegsernährungsamt zugewiesenen Kalorienbedarf.

Sogenannte Mahlzeitencoupons ermöglichten das Essen in Gaststätten. Im November 1939 waren bereits 117 verschiedene Rationierungskarten im Verkehr, im Jahr 1943 wurde ein Höchststand mit 364 verschiedenen Sorten erreicht. Die Gesamtauflage sämtlicher Rationierungskarten 1939-1948 betrug rund 1,3 Milliarden Karten. Der Druck und die Zuteilung der Karten erforderten einen enormen organisatorischen Aufwand.

Sicherheitszeichen sollten Fälschungen vorbeugen, strenge Kontrollen beim Druck und Transport Diebstahl und Schwarzhandel verunmöglichen.

Frauen werden miteinbezogen

Damit die vorgesehene Umstellung der Ernährung umgesetzt werden konnte, mussten die Frauen einbezogen werden. So lobt Ernst Feisst 1950 in seinem Bericht die Hausfrauen in hohen Tönen: «Ihre Anpassungsfähigkeit, ihrem fachlichen Können und ihrer Virtuosität, die Einschränkungen durch ihre hauswirtschaftliche Findigkeit zu mildern, ist es weitgehend zuzuschreiben, dass die Mangelwirtschaft während des Krieges erfolgreich gemeistert werden konnte.»

In zahlreichen Merkblättern und Broschüren, in Kursen und hauswirtschaftlichen Beratungsstellen wurde den Frauen erklärt, wie sie mit der neuen Zusammenstellung der Lebensmittel möglichst sparsam, aber doch kalorienreich kochen sollten.

Die «Gruppe Hauswirtschaft» des Kriegsernährungsamtes unter der Leitung von Erika Rikli erprobte In Versuchsküchen neue Rezepte, es wurde das Dörren und Einmachen propagiert, auf saisonale Früchte und Gemüse hingewiesen, das Reinigen und Ausbessern von Kleidern und Schuhen erläutert und das sparsame Heizen empfohlen.

Die Frauen mussten viele Arbeiten der im Dienst stehenden Männer, gerade in Landwirtschaftsbetrieben, selber übernehmen. Gleichzeitig mussten sie die Einschränkungen durch Rationierung und Güterknappheit bewältigen.

Helen Guggenbühl, Verfasserin der Broschüre «Haushalten in der Kriegszeit», betonte 1942 die wichtige Rolle der Frau:

«Es geht ja nicht nur um die eigene Familie; es geht um das ganze Land. Wir können nur durchhalten, wenn wir mit dem Vorhandenen möglichst sparsam umgehen. Die Frauen sind die Verwalterinnen des Volkseinkommens, auf sie kommt es an. Wenn sie die Haushaltung gut, das heisst zeitgemäss führen, erfüllen sie eine ebenso wichtige Pflicht wie der Arbeiter und der Bauer, die Güter erzeugen, und wie der Soldat, der die Grenzen schützt.»

Anbauschlacht – Plan Wahlen

Da die Lebensmittelimporte stark eingeschränkt waren, sah der Bundesrat eine Stärkung der Selbstversorgung des Landes vor. Der «Plan Wahlen», auch geläufig unter dem Begriff «Anbauschlacht», initiierte 1941 eine Ausdehnung der landwirtschaftlichen Nutzfläche, eine verstärkte Umstellung von Vieh- auf Getreidewirtschaft sowie deren Intensivierung.

Friedrich Traugott Wahlen appellierte 1941 an die Bevölkerung, seinen Plan zur Ernährungssicherung zu untertützen: «Wir können durchhalten, Wir wollen durchhalten, Wir werden durchhalten.»

Das Ziel des «Plan Wahlen» wurde schlussendlich verfehlt, die Ackerfläche betrug nie die angestrebten 500 000 ha und der Anstieg des Selbstversorgungsgrads von 52 auf 59 Prozent (bei gesenkter Kalorienmenge) erscheint eher bescheiden in Anbetracht des grossen Organisationsaufwandes. Als grösstes Hindernis zur Realisierung des Planes erwies sich der Mangel an Arbeitskräften.

Die ländliche Bevölkerung konnte die gesteigerten Anforderungen durch Mobilimachung und Mehranbau kaum bewältigen. Massnahmen zur Steigerung der Arbeitskraft, wie zum Beispiel der Landdienst für Schüler und Studenten, blieben von geringer Wirkung.

Während der gesamten Kriegszeit rangen Landwirtschaft, Industrie und die Armee um die Arbeitskräfte.

Die «Anbauschlacht» erzielte vor allem eine moralische Wirkung: zum Symbol für die Volksgemeinschaft stilisiert, stand die «Anbauschlacht» für den Widerstandwillen und die Selbstbehauptung der Schweiz.

Versorgungssicherheit

Dass die Schweiz weitgehend von aktiven Kriegshandlungen verschont blieb und in vielen Belangen mit den Achsenmächten kooperierte, war entscheidend für die wirtschaftliche Versorgung der Schweiz im Zweiten Weltkrieg. Im Zusammenspiel mit den dargestellten Massnahmen konnte so die Versorgungssicherheit gewährleistet werden.

Wollen Sie weiterlesen? In unserem Bestand finden Sie zahlreiche Werke über die wirtschaftliche Landesversorgung und über die Schweizer Kriegswirtschaft zur Zeit des Zweiten Weltkriegs.


Zurück zur Übersicht Schatzkiste Spezialsammlungen

Bibliothek am Guisanplatz Papiermühlestrasse 21a
CH-3003 Bern
Tel.
+41 58 464 50 95

E-Mail
Kontaktformular